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KATHARINA LICHTENSCHEIDT Genauigkeit im Ungefähren
Mit außergewöhnlicher Energie und Intensität erkundet Katharina
Lichtenscheidt Möglichkeiten und Terrain ihrer Malerei. In wenigen Jahren ist
eine Fülle bemerkenswerter klein- und großformatiger Gemälde und viele
Papierarbeiten in ihrem Neusser Atelier entstanden. Eine Vielzahl von
Ausstellungen hat zu Recht auf das außergewöhnliche malerische Talent dieser
jungen Frau aufmerksam gemacht; so dürfte es bald auch über die
niederrheinische Region hinaus ausstrahlen.Denn malerische Begabungen dieser
Güte haben Seltenheitswert. Vergleicht man beispielsweise Arbeiten der
Künstlerin von 1992/93 mit solchen von 1997, so wird klar, welch erstaunlicher
Prozeß hier stattgefunden hat und weiterhin sich vollzieht. Die Malerei ist
freier, reicher und zugleich dichter geworden; diese Entwicklung ist mehr als
nur der Zugewinn vermehrter Fähigkeiten im Handwerklichen.
Unfigürlich und ohne jegliche Titel oder andere lesbare Anhaltspunkte
verweisen die Arbeiten von Katharina Lichtenscheidt den Betrachter zunächst
auf seine primäre Seh- und Wahrnehmungsfähigkeit, das Augenmaß und die Gabe,
das Angebot anzunehmen und einen brauchbaren "Einstieg" ins Bild zu finden.
Ihre Arbeiten sind nicht nach vorgegebenen Konzepten gefertigt, sondern als
Schritte von Entäußerung und Einholung, gesteuerte Zufälligkeit im Prozeß von
Auge und Hand für das schließlich gültige Resultat. So wird als lebendiges,
fragendes Gegenüber das Bild gewonnen.
Im Spannungsgefüge zwischen keimender, treibender, schwebender oder fließender
Formlosigkeit und Unentschiedenheit einerseits und klarer, disziplinierter
Formsetzung als strenger Ordnungskraft andererseits bringt sich die
charakteristische Konstellation in der Bildwelt von Katharina Lichtenscheidt
zur Geltung. Es sind Bilder wie die, mit Heinrich von Kleist zu sprechen, beim
Reden entwickelten Gedanken. Energische, elegante, feine oder massive
Lineamente umspielen, überlagern, verstricken oder transformieren die Flächen,
ob verschlossen oder transparent und offen, und erweisen sich als
bildräumliche Gegenkräfte. Tänzerische oder musikalische Assoziationen mögen
sich einstellen. Lyrische und dramatische Momente sind in diesen Werken oft
dicht beieinander. Die zuweilen komplexe Balance der Werke, deren expressive
Schönheit letztlich dem Prozeß ihrer Entstehung zu verdanken ist, nimmt
Störungen, Verwerfungen mit ins Kalkül ihrer offenen, keinesfalls definitiven
Erscheinung. So versteht es sich gleichsam von selbst, daß manche Arbeiten, so
individuell sie im einzelnen sein mögen, in engerer Beziehung zueinander
stehen, weil Probleme im folgenden Bild wieder und doch zugleich anders
aufgenommen sind, um besser, prägnanter gelöst zu werden.Schichtung,
Überlagerung, Abdeckung und Freilegung, Aufbrechen oder Versinken, wobei die
Formverwandlung in der Metamorphose nicht ausgeschlossen ist, das sind
charakteristische Ausdrucksmomente in der Bildwelt dieser Künstlerin. Die
Quintessenz der Aussage ist: hinter jeder Erscheinung verbirgt sich
Überraschendes, ein Mehr und in aller Regel Anderes. Mit ihren neun-teiligen
Arbeiten aus jüngster Zeit unterstreicht sie ihr Bemühen um eine
vielschichtige dramatische "Inszenierung". Die Künstlerin, deren spezifische
Farbskala einen bestimmten, festen Klang hat, vorwiegend erdfarbig, ocker,
braun, grau und schwarz, mit Einschüben von Gelb, Blau oder Rot, arbeitet
nachdrücklich im engen Bezug zum Material. Deutlicher wurde dies zumal in
manchen Collagen früherer Zeit. Dingliches und Landschaftliches erscheint in
ihren kraftvollen, vorwiegend lichtvollen Bildern suggeriert. Das Abstrakte
wird zuweilen dinglich, konkret, das anscheinend Konkrete aber auch abstrakt.
So erfährt der Betrachter, gleichermaßen irritiert und beflügelt, eine
eigentümliche Genauigkeit im Ungefähren. Es ist zu vermuten, daß in den Werken
von Katharina Lichtenscheidt stets Tatsächliches verhandelt wird, ob in der
Malerei und ihren eigenen Gesetzen oder aus den realen Lebenserfahrungen und
Stimmungen der Künstlerin. Der große radikale amerikanische Maler Barnett
Newman äußerte einmal: "Ästhetik bedeutet mir als Künstler soviel wie den
Vögeln die Ornithologie".
Auch das künstlerische Wirken von Katharina Lichtenscheidt, so dürfen wir
folgern, reicht in seiner entschiedenen Ernsthaftigkeit und Substanz weit über
das unverbindliche Spiel vordergründiger Ästhetik hinaus. H.M.S.
Katharina Lichtenscheidt
Acryl auf Leinwand 30 x 30 cm
1963
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geboren in Wuppertal |
1984-89
1996
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Studium freie Malerei an der PYRAMIDE, Freie Kunstschule in
Düsseldorf
Kunstpreis euregio rhein-maas-nord |
Gruppenausstellungen
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1989-96
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"Kunst aus Neuss" - Stadthalle Neuss
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1990
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"Kunstspektrum", Ehrenhof Düsseldorf
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1991
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"Einblick - Ausblick", Ehrenhof Düsseldorf
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1992
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Nettetaler Kunstpreis
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1992/94/95/97
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Große Kunstausstellung NRW Düsseldorf
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1994
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Kulturforum Willich
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1994
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Otto-Discher-Preis, Ludwigshafen
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1995
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Kunstpreis Lippe, Schloß Brake
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1995
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Kunst auf Herrensitzen, Kevelaer
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1995
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TurmArt '95, Geldern
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1996
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V. Festival KunstPlätze:
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1996
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KunstMesse Frauenmuseum Bonn
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1996
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Städt. Galerie Nettetal, "Wege & Barrieren"
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1997
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Stedelijk Museum, Roermond, "Wege & Barrieren"
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Einzelausstellungen
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1993
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ART Galerie, Mönchengladbach
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1991/94
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AC & Gallery - Markus Reetz, Düsseldorf
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1992/94/97
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Galerie Kosmos, Essen
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1994
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Büchergilde Gutenberg, Bonn
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1995
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Kulturforum Willich
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1996
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Galerie Judith Dielämmer, Grevenbroich
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1997
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Galerie Bengelsträter, Iserlohn
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